Die Kunst eines guten Streits / The Art of a Good Argument


Wer kennt das nicht: Es entfacht ein Streit, der eigentlich eine sachliche Klärung, ein lösungsorientiertes Gespräch sein sollte? Ein Streit, dessen unerwarteter Ausgang einen vor einem Rätsel stellt? Was ist eigentlich gerade passiert? Aus einem zu lösenden Sachverhalt entsteht plötzlich ein persönlicher Streit mit heftigen Emotionen und die Basis der Sachlichkeit ist verlassen. 

Streiten, diskutieren, argumentieren. Ein/e jede/r von uns war schon mindestens einmal persönlich in der Situation eines Streites, sei es innerhalb der Familie, mit Freund*Innen, Kolleg*Innen oder auch mit Nachbar*Innen. Es können sich dabei um ganz leichte gar seichte Themen handeln, um Themen, die kurz geklärt werden müssen, Missverständnisse die ausgeräumt werden sollen oder aber auch um ernstere Konflikte. Ein gar sehr großes Feld.

 

Nun ist jeder Mensch anders sozialisiert, wir sind unterschiedlich ausgebildet, haben unterschiedlichste Erfahrungen gesammelt und letztendlich spielt auch der eigene Charakter eine maßgebende Rolle. Und die Kunst des "richtig Streitens" ist eine hohe Kunst. 

 

Im Berufsleben haben viele Menschen diverse Workshops wie "Konstruktives Streiten" oder "Konflikte im Team- was tun?", kurz: Konfliktmanagement, absolviert und die Skills des richtigen Zuhörens und Argumentierens erlernt. Ich höre dir zu, ich nehme deine Argumente wahr, ich wiederhole sie und diskutiere sachlich mit den meinigen Argumenten. Ziel: Eine gute Lösung für alle zu finden. Gute und sinnvolle Workshops, keine Frage. Inzwischen sind diese Skills aber nur noch das kleine 1x1 im täglichen Miteinander geworden. Es ist aus meiner Sicht das niedrigste Niveau eines guten Disputes. Die darauf aufbauenden Ebenen bilden dann erst das wirklich gute Niveau (siehe Streitkompetenz).

Und sobald, wenn auch nur durch eine kleine Andeutung die persönliche Ebene angesprochen wird, vergessen viele unmittelbar diese erlernten Skills und lassen sich auf die persönliche Ebene ein.  Ja, DU beharrst doch auf.... Zack! Ist die persönliche Ebene plötzlich da und die Sachlichkeit ist verloren. Also geht es um Emotionen.

 

Die Sachlichkeit in einem Disput zu wahren ist eine Herausforderung. Die Fähigkeit, die nonverbalen Signale der anderen Seite zu ignorieren eine weitere. Gehe ich auf das  Kopfschütteln, Augen verdrehen, anstarren, ein leises Ausschnaufen, Kopf abwenden meines Gegenübers ein, habe ich meine sachliche Ebene verlassen und erlaube somit dem anderen mit seinen nonverbalen Signalen das "Gespräch" auf eine Niveaustufe tiefer zu platzieren. Und somit ist eine lösungsorientierte Möglichkeit vorerst außer Sicht. Ist es meinem Gegenüber gelungen meine Emotionen zu aktivieren oder anders gesagt, gelingt es meinem Gegenüber nicht, ihre/seine Emotionen zu beherrschen, entsteht ein doppelter Boden des Konfliktes. Der Boden des eigentlich zu lösenden Problems und der Boden der unausgesprochenen Emotionen.

Einen Sachverhalt zu klären sollte im Grunde genommen das geringste Problem sein. Am Thema bleiben und eine gute Lösung finden. Die Diskussion kann durchaus länger dauern, und die Länge hängt vom zu lösendem Problem ab. Auch sollte es für beide Diskutanten*Innen ein geringeres Problem sein, wirkliche Argumente vorzulegen. Wirkliche Argumente sind Argumente, die beide Seiten tangieren. Das kann aus meiner Sicht und Erfahrung alles erlernt und eingeübt werden.

 

Was erheblich schwieriger zu managen ist, sind die im Streit zunächst unterdrückten und dann doch aktivierten Emotionen. Brechen diese aus, dann kommt die Wut, der persönliche Angriff, die eigene Betroffenheit, Tränen, das ganze Programm.  Die Rabattmarken (siehe weiter unten) werden herausgekramt und dem anderen vorgelegt. Für dich habe ich habe immer dies und das gemacht.... du bist mir doch wichtig, wie kannst du nur so von mir denken.... Das scheinbar Missverstanden werden, und schlimmer noch, wenn das Gegenüber bewusst mit Emotionen agiert, die mit dem eigentlichen Konflikt nichts zu tun haben, dann ist das Chaos perfekt. Ein Wechselbad der Gefühle gemischt mit dem Wunsch den eigentlichen Konflikt zu lösen. Uff!

Und noch komplizierter wird es, wenn unterschiedliche Ebenen eingenommen oder zugewiesen werden: Ich möchte dir doch nur helfen. Frage: Wem steht das Einnehmen des Eltern-Ichs zu, wenn es sich um zwei gleichermaßen Erwachsene handelt? Den anderen aus dem Nichts heraus zu einem Bittsteller, zu einem Hilfebedürftigen zu machen, ist manipulativ, nicht helfend.

 

Hinzu kommen dann obendrein noch die unausgesprochenen Erwartungen, die befriedigt werden wollen. Ich habe doch schon so oft für sie/ihn dies und das gemacht und sie/er würdigt das mit keinem Wort. Wie oft habe ich um des lieben Friedens willen eine Bemerkung von ihr/ihm runter geschluckt oder eine Handlung einfach hingenommen, ohne mich zu wehren. Im alten Sprachgebrauch von Coaches/Therapeuten entsteht dann folgendes: Rabattmarken sammeln. Oder spielt hier die Opferrolle mächtig mit?

In einer guten Gruppentherapie gilt folgendes Prinzip: Erst müssen die zwischenmenschlichen Probleme unter den Beteiligten ausgeräumt sein, dann erst kann eine gute Sitzung entstehen. Eine goldene Regel.

Wenn es also in einem Streit, Diskurs, Diskussion zu einer persönlichen Auseinandersetzung kommt, dann kann die sachliche Ebene nicht gewinnen. Erst müssen die zwischenmenschlichen Dispute ausgeräumt werden, dann kann man wieder auf der Sachebene arbeiten.

 

Mit anderen Worten: Nicht runter schlucken, sondern gleich freundlich Grenzen aufzeigen. Nicht mehr, auch nicht im freundschaftlichem Sinne gemeint, für sie/ihn unaufgefordert etwas tun (oder auch einer Bitte folgend, die man aber nicht erfüllen möchte) und dann Dank erwarten. Das funktioniert nicht und löst nur unangenehme Emotionen und nicht befriedigte Erwartungen aus. 

 

Bei sich selbst bleiben heißt die Devise!

 


Who doesn´t know this: A dispute erupts, which should actually be an objective clarification, a solution-oriented conversation? A quarrel whose unexpected outcome baffles you? What has just happened? A situation that needs to be resolved suddenly turns into a personal dispute with intense emotions and the basic of objectivity is abandoned.

 

Arguing and discussing. Each of us has been in the situation of a dispute at least once, be it within the family, with friends, colleagues or even with neighbors. These can be very easy or even shallow topics, topics that need to be clarified briefly, misunderstandings that need to be cleared up or even more serious conflicts. A very large field.

 

Now every person is differently socialized, we´re trained differently, have gained a wide variety of experiences and ultimately our own character also plays a decisive role. And the art of "arguing properly" is a high art.

 

In professional life, many people have completed various workshops such as "Constructive Arguing" or "Conflicts in the Team - What to do?", in short: Conflict Management, and learned the skills of correct listening and arguing. I listen to you, I perceive your arguments, I repeat them and discuss them factually with mine. Goal: To find a solution for everyone. Good and useful workshops, no question. In the meantime, however, these skills have only become a the little multiplication table in daily interaction. In my view, it is the lowest level of a good dispute. The levels that build on this then form the really good level (see Dispute Competence).

And as soon as the personal level is addressed, even if only by a small hint, many immediately forget these learned skills and get involved with the personal level. Yes, YOU insist on... Bang! The personal level is suddenly there and the objectivity is lost.

So it´s about emotions.

 

Maintaining objectivity in a dispute is the real challenge. The ability to ignore the other side´s non-verbal signals is another. If I respond to the other persons shaking head, rolling eyes, staring, taking a deep breath, turning heads away, I´ve left my factual level and thus allow the other person to place the "conversation" on a lower level with these non-verbal signals. And so a solution-oriented possibility is out of sight for the time being. If my counterpart has succeeded in activating my emotions or expressed differently, if my counterpart does not succeed in controlling his/her emotions, a double bottom of the conflict arises. The bottom of the actual problem to be solved and the bottom of the unspoken emotions.

In fact, getting things sorted out should be the least of a problem. Stay on topic and find a good solution. The discussion may well take longer, and the length depends on the problem to be solved.  It should also be less of a problem for both discussants to present real arguments. Real arguments are arguments that affect both sides. From my point of view and experiences, everything can be learned and practiced.

 

What much more difficult to manage are the emotions that are initially suppressed in the argument and then activated. If these emotions break out, then comes anger, the personal attack, your own dismay, tears, the whole program. The discount stamps (see explanation below) are taken out and presented to the other person. I`ve always done this and that for you, you´re important for me, how can you think of me like that... Apparently misunderstood, and even worse when the other person acts consciously with emotions that have nothing to do with the actual conflict, then the chaos is perfect. A rollercoaster of emotions mixed with the desire to resolve the actual conflict. OMG!

And it gets even more complicated when different levels are taken or assigned: I just want to help you. Question: Who is entitled to take over the parent-role when there are two equally adults? Turning the other into a supplicant out of nothing, into someone in need of help, is manipulative, not helping.

Then there are the unspoken expectations that want to satisfied. I´ve done this and that for him/her so many times and she/he doesn´t even say a word about it. How often have I swallowed a comment from her/him for the sake of peace or simply accepted an action without defending myself? In the old parlance of coaches/therapists, the following arises: Collect discount stamps. Or does the victim role play a major role here?

 

The following principle applies to good group therapy: First the interpersonal problems among the participants must be resolved before a good session can develop. A golden rule!

 

So if a dispute, discourse or discussion leads to personal dispute, then the factual level cannot win. First the interpersonal disputes have to be cleared up, then you can work on the factual level again.

 

In other words: Don´t swallow it down, show your personal limits in a friendly and clear manner. No longer meant in the friendly sense of doing something for her/him without being asked (or even being asked but you don´t want to do it)  and then expecting thanks. This does not work and only triggers unpleasant emotions und unfulfilled expectations.

 

The motto is: Stay with yourself!

 

 

 

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